
Die Corona-Krise hat den Glauben an Verschwörungsmythen befeuert. Viele Menschen fanden über Esoterik den Weg hin zu radikaleren Glaubensansätzen. Auf Demonstrationen und Online bot sich ihnen die Gelegenheit, sich zu organisieren. Mittlerweile neigt sich die Pandemie ihrem Ende zu, doch die entstandenen Netzwerke haben weiterhin Bestand.
Wie Studien zeigen, sind Menschen, die Angst haben die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, besonders anfällig für Verschwörungsglaube. Rechte und rechtsextreme Gruppierungen profitieren davon. Viele Verschwörungsmythen in der Szene der CoronaleugnerInnen bauen auf Rassismus, Sexismus und Antisemitismus auf. Die Schnittmenge zwischen Verschwörungstheorie und rechtem sowie rechtsextremem Gedankengut ist groß. Nicht immer, aber oft, besteht ein Näheverhältnis zwischen den beiden. Eindrucksvoll zeigte dies ein Blick auf den Wiener Heldenplatz, wo seit Beginn der Pandemie regelmäßig Demonstrationen stattfinden. Die Transparente der Demonstrierenden bilden das gesamte Spektrum ab.

Demonstrationen als Vernetzungspunkt
Bei den Demonstrationen zogen EsoterikerInnen, VerschwörungstheoretikerInnen und Rechtsextreme gemeinsam durch die Wiener Innenstadt. Zu Höchstzeiten nahmen bis zu 40.000 Menschen teil. Der Journalist Michael Bonvalot berichtet von Beginn an. Er beobachtete die Vereinnahmung der Demonstrationen durch rechte und rechtsextreme Gruppen. Waren die DemonstrantInnen zu Beginn noch auf den Straßen, um ihr Missfallen gegenüber den geltenden Corona-Maßnahmen kundzutun, verschob sich dieser Fokus schnell, so Bonvalot: „Die aktuellen Aufmärsche in Wien sind ganz klar auch rassistisch motiviert. Da geht es nicht mehr um die Pandemie, da geht es um eine faschistische Rechte, die auf die Straße geht. Das ist etwas, was uns auch nach der Pandemie erhalten bleiben wird.“
Die Aufmärsche, meint Bonvalot, haben Strukturen geschaffen, die so vor der Pandemie nicht existierten. Vor allem überregional hätten sich Menschen vernetzt, die zuvor weniger Berührungspunkte hatten. Wie breit das Wirkungsfeld der neuen Gruppen ist, zeigt sich unter anderem darin, dass auch außerhalb Wiens regelmäßig Demonstrationen organisiert werden. Im oberösterreichischen Steyr fand Anfang Dezember 2022 etwa der hundertste, sogenannte „Sonntagsspaziergang“ statt. Die Demonstrationen der CoronaleugnerInnen werden von rechten und rechtsextremen Gruppierungen vereinnahmt, doch Bonvalot betont: „Die Demonstrierenden sind nicht alle extreme Rechte und es sind nicht alle Nazis und FaschistInnen. Das wäre sicher eine völlige Verkürzung der Tatsachen. Aber das sind alles Leute, die kein Problem damit haben, mit extremen Rechten, mit Nazis und mit FaschistInnen zu demonstrieren.“
Das Näheverhältnis von Verschwörungsmythen und rechtem Gedankengut
Eine Studie aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, dass Verschwörungsgläubige erhöhte Zustimmungswerte für Antisemitismus, Sexismus und Rassismus aufweisen. Die Parallele zu rechten beziehungsweise rechtsextremen Gruppierungen ist hier klar. Rechte und rechtsextreme Parteien nutzen die Angst vor einem Kontrollverlust für ihre Politik. Ein weiterer Anknüpfungspunkt sind Scheinlösungen, die sowohl die Rechte als auch Verschwörungsmythen ihren AnhängerInnen bieten. Ulrike Schiesser, Psychotherapeutin bei der Bundesstelle für Sektenfragen, beschäftigt sich mit den psychologischen Mechanismen, die hinter dem Glauben an Verschwörungsmythen stecken: „Den Gemeinschaften, mit denen wir arbeiten, geht es darum zu sagen: ‚Wir sind die Elite, wir sind besonders und auserwählt.‘ Das funktioniert natürlich am besten, wenn sie einen Außenfeind haben. Umso größer und je dämonischer und bedrohlicher der Außenfeind ist, umso besser ist der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe und umso wichtiger sind sie als Gemeinschaft. Außenfeinde zu kreieren ist eine Spezialität von Verschwörungstheorien.“ Dieses Narrativ bedient auch die rechte Szene.
Radikalisierung der Szene
Michael Bonvalot wurde durch seine Arbeit zur Zielscheibe der rechten CoronaleugnerInnen-Szene. Er wird bedroht, von Demonstrationen kann er nur noch im Schutz eines mehrköpfigen Sicherheitsteams berichten. Im Jahr 2021 beschmierten Unbekannte eine Haustüre, die ihm fälschlicherweise zugerechnet wurde, und beschädigten das Schloss. Auch vor Morddrohungen schrecken sie nicht zurück. Dazu meint er: „Morddrohungen verfolge ich nicht mehr behördlich, weil ich einfach keine Zeit mehr habe dafür. Es kostet unglaublich viel Nerven und Kraft sich damit auseinanderzusetzen. Das ist ein enormer Zeitaufwand, der mich dann auch wieder davon abhält, journalistisch zu arbeiten.“
Ein Ausblick
Der Glaube an Verschwörungsmythen entfernt Menschen von der Realität und macht sie für Extremismus empfänglich. Das haben rechte und rechtsextreme Gruppierungen in den letzten Jahren für sich genutzt. „Wir haben dadurch eine ganz neue Szene, die vor der Pandemie nicht wirkmächtig gewesen wäre. Eine Szene, die Strukturen geschaffen hat, die nun auch für andere Themen benutzbar sind als die Corona-Thematik“, so Bonvalot.
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