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Vater unser in der Cloud: Künstliche Intelligenz trifft Religion

Das Aufeinandertreffen von Religion und künstlicher Intelligenz stellt in jeder Hinsicht ein Spannungsfeld dar. Neben den vielseitigen Möglichkeiten dieser Technologie stellen sich vor allem Fragen der ethischen Verantwortung. Wie weit führt uns der Technikglaube? Vieles ist offen und selbst die Wissenschaft hat nicht auf alles eine Antwort, bestätigt der Theologe und Philosoph Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger.

Ein Beitrag von Judith Schwarzer

Liegt das Heil der Zukunft in der KI? Beantworten Programme wie ChatGPT bald alle Fragen der Menschheit? Oder wirft ihre Verwendung mehr Fragen auf, als Antworten gegeben werden? Dank intelligenter Computersysteme und Algorithmen gibt es kaum noch einen Alltagsbereich, der nicht in irgendeiner Form auf smarte Weise gesteuert wird. Weil es bequem, schnell und einfach ist, überlassen wir immer mehr Entscheidungen der Technik. Computerprogramme sind mittlerweile in der Lage, menschenähnliche Leistungen zu erbringen, aus Erfahrungen zu lernen und Aufgaben auch ohne ausdrückliche Anweisung auszuführen. Wenn das der Fall ist, sprechen wir von sogenannter künstlicher Intelligenz, kurz KI. Und wo KI auf Religion trifft, wird es spannnend, für beide Seiten.

Künstliche Intelligenz als Ersatz für Priester und Seelsorger

KI-gesteuerte Systeme sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Chatbots beantworten unsere Fragen an der Kunden-Hotline. Autos fahren immer selbständiger. Alexa dreht das Licht auf. Warum soll ein textgenerierendes Programm nicht auch eine Predigt schreiben oder eine App die Beichte abnehmen?

Porträt Prof. Wilhelm Guggenberger
Prof. Wilhelm Guggenberger, © Universität Innsbruck

Für den Theologen und Philosophen Wilhelm Guggenberger ist es nicht so abwegig, dass ein KI-gestützter Chatbot einmal die bessere Predigt verfassen kann. Er ist Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck und beschäftigt sich im Bereich der Sozialethik mit Fragen der Politik, Wirtschaft, Umwelt und Technik aus einer christlichen Perspektive. Eine Beicht-App, wie sie zu Corona-Zeiten angeboten wurde, sieht er aber kritisch: „Sakramente brauchen eine personale Begegnung. Zwischen Personen finden andere Formen von Kommunikation statt, als zwischen Mensch und Maschine.“ Auch wenn man die Kommunikation mit einer KI kaum noch von der mit einem Menschen unterscheiden kann bleibt letztendlich die Frage, „wie lange ist das Simulation und ab wann hat eine KI so etwas wie Persönlichkeit“. Laut Guggenberger sind wir von einer KI-Persönlichkeit noch weit entfernt, wirkliche Empathie, tatsächliche Begegnung und „Interaktionen, die mehr sind als ein Regelkreis von Input und Output“, seien noch den Menschen vorbehalten.

 

Künstliche Intelligenz: die Frage der Verantwortung

KI-gesteuerte Apps als Helfer und Unterstützer für seelsorgerische Dienste sind nur ein Aspekt des Aufeinandertreffens von Religion und künstlicher Intelligenz. Nicht weniger spannend sind ethische Fragen der Verantwortung für das, was ein KI-basierter Algorithmus auslöst. Können religiöse Werte hier eine Orientierung geben? Für Nutzer*innen, beispielsweise eines autonom agierenden Fahrzeugs, sieht Guggenberger eine gewisse Aufsichtspflicht. Je selbstständiger das Auto wird, umso mehr ist er oder sie aus dem Schneider und die Programmierung gefragt. Und wenn es noch weiter geht? Da die KI ständig weiterlernt, ist es nicht abwegig, dass sie sich von ihrer Programmierung löst. Spätestens dann versagen die klassische menschliche Logik und unsere Verantwortungsethik. Denn wir sprechen Verantwortung grundsätzlich Personen und nicht Dingen zu. Als ein Grunddilemma sieht Guggenberger die Selbstständigkeit, die wir einerseits von einer KI erwarten, die aber andererseits auch dazu führen kann, „dass diese Dinge nicht mehr gesteuert und kontrolliert werden können“. Er verortet die menschliche Verantwortung im Starten eines solchen Systems, anschließend „begibt man sich sehenden Auges in ein Dilemma, das unberechenbar ist und wo offensichtlich auch die Religion nicht weiterhilft“. Religiöse Ethik, mit der sich Guggenberger beschäftigt, „wirft durchaus die Frage auf, ob man solche Dinge starten soll … oder ob nicht manchmal vielleicht weniger Effizienz, mehr Hinfälligkeit, zu akzeptieren wäre im Leben … Wenn wir erst einmal die Kontrolle über unsere Geräte aufgegeben haben, dann sollte man sich auch von Religionen keine Wunder mehr erwarten.“

Künstliche Intelligenz: Wer stellt die Regeln auf?

Natürlich sind wir der KI nicht machtlos ausgeliefert, sondern können Regeln festlegen, Präferenzen setzen. Ein Beispiel, das dies immer wieder sehr deutlich vor Augen führt, ist ein autonom fahrendes Auto, welches aufgrund von Bremsversagen einen Unfall nicht mehr verhindern kann und den Tod von Menschen in Kauf nehmen muss. Aber wo lenkt es hin? Nach welchen Regeln entscheidet die KI über Leben und Tod? Wer stellt diese Regeln auf? Gibt es egoistische und weniger egoistische Fahrzeuge? Dies sind ethische Entscheidungen, die sich sehr mathematisch fällen lassen, so Guggenberger: „…man hat bestimmte Parameter und aus denen lässt sich klar errechnen, was eine gute und schlechte Entscheidung ist.“ Als eine Faustregel nennt Guggenberger, „dass menschliches Leben nach jeder bestehenden Möglichkeit geschützt und bewahrt werden soll.“ Heikel wird es auch für ihn, wenn es um die Auswahl der unvermeidbaren Opfer geht: „Ist beispielsweise das Leben eines Kindes wertvoller als das Leben einer Person, die für Kinder verantwortlich ist?“ Im Kontext des religiös-kulturellen Hintergrunds stellt sich auch die Frage, ob ein entsprechendes Wertesystem überall auf der Welt gleich wäre? Guggenberger kann sich gut vorstellen, dass es hier zwischen der westlichen und der fernöstlichen Kultur, wo die individuelle Personalität eine geringere Rolle spielt, Unterschiede geben kann. Wenn diese Maßstäbe nicht übereinstimmen, ist Konfliktpotenzial gegeben. Globale Regeln erscheinen daher umso wichtiger und die Vermittlung philosophisch-ethischer Kompetenzen wird zunehmend zum Thema im Rahmen informationstechnischer Studiengänge. Mehr zum moralischen Entscheidungsverhalten von intelligenten Maschinen und Möglichkeiten, dies in einer Umfrage selbst zu beurteilen findet man unter www.moralmachine.net.

Die Anbetung der Technik

In Anbetracht vieler offener Aspekte rund um die Konsequenzen der Nutzung von KI stellt sich die generelle Frage, warum der Mensch überhaupt so stark auf den technologischen Fortschritt setzt, selbst wenn negative Folgen bereits bekannt sind. Für Guggenberger hat das viel mit Anstrengung zu tun, der wir aus dem Weg gehen möchten. Wir nehmen uns selber als „nicht zuverlässig“ wahr und vertrauen daher lieber auf technische Systeme. Das ist fast schon wie Magie: „man hat einen einfachen Trick, eine einfache Lösung. Kann hier an einem Schräubchen drehen oder da ein Pulver rein streuen und das Problem schafft sich sozusagen von selbst aus der Welt.“

Heilsversprechen, die man sich über Jahrhunderte im Glauben und in religiösen Ritualen geholt hat, werden nun durch Technologien geliefert. Guggenberger führt als Beispiel die Illusion des Internets als herrschaftsfreien Raum an: „Da dominieren zwar nicht die Nationalstaaten mit ihrer Politik, aber einige wenige Konzerne mit ihrer Finanzmacht. Das ist kein freier Raum. Hass, verbale Gewalt und Anstiftung zur realen Gewalt gibt es dort genauso. Wir müssen das Problem der zwischenmenschlichen Kommunikation, der Rivalität und der Gewalt ohnedies lösen.“ Bezogen auf die freie Kommunikation glaubte man bereits in den 50er Jahren an ein „digitales Pfingsten“: eine Welt, in der Verständigung sowohl sprachlich, als auch technisch grenzenlos funktioniert und durch die Vernetzung aller Menschen zu einem kosmischen Bewusstsein führen könnte.

Etwas ebenfalls Religiöses haben die Ansätze der sogenannten Transhumanisten: sie glauben an die künstliche Superintelligenz und sehen die Vergänglichkeit des Menschen in einer Fusion des biologischen Körpers mit fortgeschrittensten Technologien als überwunden an. Diese Evolutionsstufe macht das rein Menschliche überflüssig. Als Individuen lösen wir uns auf, erreichen aber auch eine Form der Unsterblichkeit. Aus Sicht der Transhumanisten braucht man den für Krankheiten anfälligen, sterblichen Körper nicht mehr, wenn es erst einmal möglich ist, das Bewusstsein downloaden zu können.

Zum Teufel mit der Technik?

Teufel zerstört Notebooks
© KI-gestützer Bildgenerator DALL·E, https://labs.openai.com/

Neben den Technikenthusiasten gibt es natürlich auch viele Skeptiker, die nahezu jede technische Entwicklung verteufeln. Aber selbst Papst Franziskus spricht 2015 in seiner Laudato si’ von der Schönheit der Technik und nennt sie ein wichtiges Element der humanen Entwicklung. Er betont aber auch die Gefahr, die darin besteht, alle Lösungen allein in der Technik zu suchen. Guggenberger würde es schon reichen, wenn wir uns einen skeptischen Blick bewahren und die Motive einer technologischen Fortschrittsidee hinterfragen.

„Das erscheint mir ganz essenziell. Ich habe manchmal sehr das Gefühl, man überlässt sich der Begeisterung für eine Entwicklung, die leistungsfähig, toll und erstaunlich ist und begibt sich dann relativ unbedacht auf einen Entwicklungsweg, der nur mehr schwer zu steuern und zu bremsen ist. Das wäre so mein Ansatz als Ethiker, bereits im Vorfeld zu bedenken, was eine Technologie für Mensch und Gesellschaft bedeuten kann und ob wir mögliche Entwicklungen, die sich daraus ergeben, wirklich wollen und verantworten können.“

Zum Abschluss ein paar Fragen an das KI-basierte Chatprogramm ChatGPT

Für die Antwort von ChatGPT einfach auf die Frage klicken

Passt künstliche Intelligenz und Religion zusammen?

Ja, es gibt Menschen, die glauben, dass künstliche Intelligenz und Religion zusammenpassen können. Es gibt auch Menschen, die der Meinung sind, dass künstliche Intelligenz und Religion inkompatibel sind. Es gibt keine eindeutige Antwort darauf, ob künstliche Intelligenz und Religion zusammenpassen oder nicht. Das hängt von der Perspektive und den Überzeugungen des Einzelnen ab.
Einige Leute glauben, dass künstliche Intelligenz ein Ausdruck der Schöpfung ist und daher Teil der religiösen Erfahrung sein kann. Andere sehen künstliche Intelligenz als rein technologisches Phänomen und glauben nicht, dass sie irgendeine Art von spirituellem Potenzial hat.
Es ist wichtig zu beachten, dass künstliche Intelligenz ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema ist, und es ist schwierig, eine eindeutige Antwort darauf zu geben, ob sie und Religion zusammenpassen oder nicht. Letztendlich hängt die Beziehung zwischen künstlicher Intelligenz und Religion davon ab, wie man sie betrachtet und wie man sie in sein eigenes Leben integriert.

Ist Fremdgehen eine Sünde?

Ob Fremdgehen als Sünde betrachtet wird, hängt von den Überzeugungen und Werten der Person ab, die es begeht, sowie von der Art der Beziehung, in der sie sich befindet. In einigen religiösen Traditionen wird Fremdgehen als Sünde betrachtet, weil es als Verletzung der Treue und des Vertrauens in einer Beziehung gilt. In anderen Traditionen wird es möglicherweise nicht als Sünde betrachtet, sondern als eine Art von Fehlverhalten, das zu Konsequenzen führen kann, aber nicht notwendigerweise als Sünde gilt.
Es ist wichtig zu beachten, dass Sünde ein Konzept ist, das in vielen religiösen Traditionen verwendet wird und das unterschiedlich definiert werden kann. Was für einige Menschen als Sünde betrachtet wird, kann für andere völlig akzeptabel sein. Es ist wichtig, dass jeder für sich selbst entscheidet, was er als Sünde betrachtet und wie er sein Leben in Übereinstimmung mit seinen eigenen Überzeugungen und Werten führen möchte.

Wie werden Texte mit KI generiert?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Texte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) generiert werden können. Eine Möglichkeit ist die Verwendung von maschinellen Lernverfahren, um Text zu generieren. Dabei wird ein KI-System mit vielen Beispieltexten gefüttert und lernt dann, Text zu generieren, indem es Muster und Regeln aus diesen Beispieltexten ableitet.
Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von sogenannten neuronale Netze, die auf ähnliche Weise funktionieren wie das menschliche Gehirn. Diese Netze können lernen, bestimmte Aufgaben auszuführen, indem sie Beispiele analysieren und daraus Muster ableiten. Sie können dann verwendet werden, um Text zu generieren, indem sie bestimmte Eingaben erhalten und dann Text basierend auf dem produzieren, was sie gelernt haben.
Es ist wichtig zu beachten, dass KI-generierter Text oft nicht so gut ist wie Text, der von Menschen geschrieben wurde. KI-Systeme haben Schwierigkeiten, die Feinheiten und Nuancen menschlicher Sprache zu verstehen und können Fakten oder Perspektiven vermissen, die für einen Artikel wichtig sind. Es ist daher ratsam, KI-generierten Text sorgfältig zu überprüfen und gegebenenfalls zu bearbeiten, bevor er veröffentlicht wird.

Sollen Journalisten ihre Texte von einer KI schreiben lassen?

Es gibt Vor- und Nachteile für das Schreiben von Texten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Ein Vorteil könnte sein, dass KI in der Lage ist, sehr schnell zu schreiben und viele verschiedene Ideen zu generieren. Dies könnte Journalisten helfen, schneller zu arbeiten und mehr Artikel zu produzieren.
Ein Nachteil könnte jedoch sein, dass KI nicht immer in der Lage ist, die Feinheiten und Nuancen menschlicher Sprache zu verstehen. Sie könnte Schwierigkeiten haben, die richtigen Worte für bestimmte Kontexte oder Emotionen zu finden, oder sie könnte Fakten oder Perspektiven vermissen, die für einen Artikel wichtig sind.
Insgesamt würde ich sagen, dass es wahrscheinlich nicht ratsam ist, Texte vollständig von einer KI schreiben zu lassen. Es ist wichtig, dass Journalisten ihre eigenen Ideen und Perspektiven einbringen und dafür sorgen, dass ihre Artikel gründlich recherchiert und sorgfältig formuliert sind. Es könnte jedoch sinnvoll sein, KI als Werkzeug zu nutzen, um bei der Ideenfindung oder bei der Überprüfung von Fakten zu unterstützen.

 

Beitragsbild: © KI-gestützer Bildgenerator DALL·E, https://labs.openai.com/